All along the Body
Altes Landgut
Aquaplan
Babyn Yar
Bahnhofplatz Mödling
Bergisel
Bosch
City Transistor
Das Fortlaufende Haus
Doppelwendel, neroisch
Dynamisches Labyrinth
Faux Terrains
Favoritner
Gustav mit der Tröte
Haus im Tösstal
House D
Ho Kabakaba [1-2]
Immigrated Ground
Incorporation
Inflatable World
Innraininsel
Irrtümer und Modelle
Kleiner Diebstahl
Kulturforum Westfalen
Kunsthalle Bremen
Landhausplatz
Lindenareal
Mariahilferstrasse
Memento mori
Mit dem Berg ins Tal
Neuer Markt
Nasen
Of Other Environments / Bahnhofplatz Dietikon
Parkschule
Piranesi in Zurich
Pfau
Platz da!
Promenade médiale
Raumpark [first appearance]
Red Frog
Rock over Barock [1+2]
Rock over Barock at the Biennale
Schiehaven Project
Spreebogen
Stadion Zürich
Stadtpatio
Steirereck
Talking City
Temple of Laughter
The Big and the Flat
The Fold
The Sleep of Reason
Videopavillon
Viscéral
Vogelflug
Waterford North Quays
West Cork Arts Center
Zwitschermaschine
Altes Landgut
Aquaplan
Babyn Yar
Bahnhofplatz Mödling
Bergisel
Bosch
City Transistor
Das Fortlaufende Haus
Doppelwendel, neroisch
Dynamisches Labyrinth
Faux Terrains
Favoritner
Gustav mit der Tröte
Haus im Tösstal
House D
Ho Kabakaba [1-2]
Immigrated Ground
Incorporation
Inflatable World
Innraininsel
Irrtümer und Modelle
Kleiner Diebstahl
Kulturforum Westfalen
Kunsthalle Bremen
Landhausplatz
Lindenareal
Mariahilferstrasse
Memento mori
Mit dem Berg ins Tal
Neuer Markt
Nasen
Of Other Environments / Bahnhofplatz Dietikon
Parkschule
Piranesi in Zurich
Pfau
Platz da!
Promenade médiale
Raumpark [first appearance]
Red Frog
Rock over Barock [1+2]
Rock over Barock at the Biennale
Schiehaven Project
Spreebogen
Stadion Zürich
Stadtpatio
Steirereck
Talking City
Temple of Laughter
The Big and the Flat
The Fold
The Sleep of Reason
Videopavillon
Viscéral
Vogelflug
Waterford North Quays
West Cork Arts Center
Zwitschermaschine
Hannes Stiefel und Dominic Schwab
Stiefel & Company Architects
VOGELFLUG
Ein Beitrag zum geladenen Wettbewerb für die Entwicklung und Umsetzung einer dauerhaften künstlerischen Intervention am ‚sogenannten Ehrenmal‘ der Universität Innsbruck anlässlich ihres 350.jährigen Bestehens im Jahr 2019
Ausloberin:
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (LFUI)
unter Rektor Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Tilmann Märk, 2018
Hannes Stiefel und Dominic Schwab / Stiefel & Company Architects
Inhalt:
Prolog
VOGELFLUG
Epilog
Anmerkungen
Anmerkung 1
Missverständnisse, Umdeutungen, Korrekturen
Anmerkung 2
Projektherleitung aus Schlüsselbegriffen der Auslobung
Anhang
Kosten / Zeitrahmen
Prolog
Was ist ein zukunftsweisendes Bekenntnis für die Verantwortung einer modernen und weltoffenen Universität?
Was ist ein Symbol für die Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft der Universität und das, wofür sie steht?
Es scheint erst mal absurd, ein historisch äusserst problematisch konnotiertes Symbol aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts fast 100 Jahre später durch eine künstlerische Intervention zu einem Zeichen umzufunktionieren, das für die Werte einer zukunftsorientierten Universität steht.
Sprechen wir von der Zukunft aus heutiger Sicht oder auch von möglichen Zukünften künftiger Zeiten?
Kann die Kunst / können wir / kann das Projekt das gewünschte Bekenntnis stellvertretend resp. im Auftrag der Universität erbringen?
Oder umgekehrt: Kann die Universität die Formulierung dieser geforderten (sichtbaren) Positionierung an die Kunst abtreten?
Soll das entsprechende Bekenntnis seitens der Wissenschaften selbst, mittels ihrer eigenen Mittel und Methoden, auf den akademischen und/oder disziplin-internen Diskurs beschränkt bleiben?
Soll eine entsprechende Positionierung oder Haltung der Institution Universität selbst auf allgemeine Formulierung im Leitbild der Universität beschränkt und damit praktisch unsichtbar, kaum hörbar bleiben?
Könnte es sein, dass hier ein ZUSAMMENSCHLUSS DER WISSEN-SCHAFTEN UND DER KÜNSTE gefordert wäre?
VOGELFLUG
TITELMELODIE
TOTALE: Es ginge los entlang der Nordkette, einer alpinen Gebirgskette des Karwendel oberhalb von Innsbruck (Tirol, Österreich). Ankunft am Platz vor dem Hauptgebäude der Universität. Dort steht das sogenannte Ehrenmal. Architekt und Künstler: Lois Welzenbacher. Errichtet: 1926. Ein Adler aus getriebenem Kupfer, Höhe wohl 4 Meter. Er steht auf einem Sockel (dreieckig im Plan, massiver Naturstein, Gesamthöhe: gegen 8 Meter. Inschrift: EHRE FREIHEIT VATERLAND. Zwei kleine Gedenktafeln und zwei übriggebliebene Bäume ‚komplettieren‘ das Monument.
LANDHAUSPLATZ INNSBRUCK (Eduard-Wallnöfer-Platz). Das Befreiungsdenkmal von 1946-1948, dahinter das 1938/39 erbaute heutige Landhaus, ehemaliges Gauhaus für Tirol und Vorarlberg (Reichsstatthalterei und regionaler Parteisitz der NSDAP), schräg gegenüber das Hochhaus der Stadtwerke von 1926/27, Architekt: Lois Welzenbacher. Auf dem Befreiungsdenkmal ganz oben: ein Adler, kupfergetrieben. Blick auf die Betrachtenden gerichtet. Dann hebt er ab, fliegt auf uns zu, dreht kurz vor der Kamera ab. Ein Teil seines Körpers durchquert den Bildraum, man selbst durchquert den Vogelkörper. Der Vogel verschwindet. Kommt durch einen Dreh der Kamera wieder ins Blickfeld. Verschwindet. Blick Richtung Stadtwerke, der Landhausplatz: leer.
Der Film hat begonnen.
INNRAIN, HAUPTGEBÄUDE DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK (Leopold-Franzens-Universität). Langsame seitliche Kamerafahrt entlang der Südost-Fassade von Süd-West nach Nord-Ost. Die Kamera entfernt sich und an Stelle des so genannten Ehrenmals zeigt sich: ein Loch im Boden, ausgehobenes Erdreich. Das Blattwerk der Bäume filtert die Sicht auf das Universitätsgebäude.
Stimme aus dem Off:
Es wäre auf einem Pfad im Gebirge gewesen. Sie wäre in einer steil neben ihr abfallenden, über ihr aufsteigenden Felswand gegangen.
Pause
Und dann wäre der Adler gekommen.
Er wäre langsam durch die Lüfte geglitten.
Dunkler Himmel. Spätherbst oder früher Winter.
Auch ein leichter Nebel, ein sehr leichter, heftet sich überall ans Gestein, sitzt in der kargen Vegetation. Fetzen von Nebel steigen vom Talboden auf.
Stille. Dann Musik.
Ein helles, weites Feld. Klinische, surreal anmutende Atmosphäre. Aus der fast gänzlichen Abwesenheit von Schattenwürfen kann geschlossen werden, dass die Sonne, oder was immer Licht auf diese Szene wirft, im Zenith steht im Augenblick des Filmes. Es handelt sich weniger um einen Aufenthaltsraum als vielmehr um einen offenen, fast endlos sich ausdehnenden Zustand, mit Tisch und zwei Sesseln. Es sind keine weiteren Einrichtungsgegenstände erkennbar. Durch einen dunklen Spalt (im Boden? der Wand? in der Decke?) sieht man die Schwärze einer mutmasslichen Nacht von anderswo. Also ist die Gegend gegen das Dunkel abgelichtet, abgegrenzt gegen diesen andern Raum. Zwei Personen, am Tisch sitzend: die Verfasser (Contemplators). Auf dem Tisch Manuskripte. Das Script des möglichen Filmes wird also vorgelesen, sie werden die Erzählung lesen.
Im Verlaufe des Films tauchen Gegenstände auf, schemenhaft nur, verschwinden wieder. Das Licht bleibt dasselbe wie auch die Art des Lesens, die Form des Manuskripts. Die Personen, die Verfasserinnen wechseln und bleiben doch dieselben. Diesen Raum, diese Gegend kann man DAS WEISSEE FELD / THE WHITE FIELD oder Lese-Raum nennen.
Mit Ausnahme des ‚Off‘ sowie einer kleinmassstäblichen Form des WEISSEN FELDES, der OFFENEN NISCHE / THE OPEN NICHE, spielt der ganze Film an diesem Ort.
Der Einsatz der Musik erfolgt intuitiv durch den Interpreten/die Interpretin. Es gibt nur sehr wenige entsprechenden Regieanweisungen.
Da fängt dann DAS WEISSE FELD an:
D. S.
Das ist eine dauerhafte künstlerische Intervention?
H. S.
Es würde eine dauerhafte künstlerische Intervention gewesen sein.
Pause
Es ist eine künstlerische Intervention.
Vielleicht eher: nachhaltig denn dauerhaft… Sustainability – ein fürchterliches Wort, aber…
Pause
Nachhaltig ist was fortlaufend Wirkung zeigt.
Oder eigentlich: was über die Zeit anhaltend fortlaufend Wirkung zeigt. Ohne Ende.
Von Dauer ist also nicht die Intervention, sondern deren Wirkung. Die Intervention selbst kann verschwinden, sich auflösen, verflüchtigen – niemanden wird das interessieren… Das funktioniert natürlich nur, wenn die Intervention weitere Interventionen auslöst. Darum muss es gehen: ein anhaltend fortlaufender Prozess. Unkontrollierbar gewissermassen. Unvorstellbar, oder zumindest: unvorhersehbar. Riskant jedenfalls… für alle…
Pause
Ja, es ist eine künstlerische Intervention.
Es ist ein Film.
Es ist der Beginn eines Prozesses, der, kaum merklich, eben erst begonnen hat. Es ist ein Prozess, ein Film, eine Intervention, ein Projekt der/die/das dauerhaft fortgeschrieben werden wird. Unausweichlich. Unaufhaltsam.
Pause
Sehen Sie?
D. S.
Ja. Ich sehe.
H. S.
Man hätte den Körper des Vogels also von innen gesehen gehabt. Obzwar ganz kurz nur, würde man Teil des Vogels gewesen sein.
Pause
Der Adler wäre verschwunden. Und er wäre dann wieder erschienen.
Sehen Sie?
D. S.
Ich sehe.
H. S.
Man hätte den Berg gehört, den Wind, von weit her, aber sehr laut.
Und dann hätte auf den Treppenstufen eine Frau gewartet. Scheinbar abwesend. In Gedanken versunken, den Blick auf den Vogel gerichtet. Man hätte sich ihr genähert. Eine Frau in einem gewissen Alter. Bemerkenswert gekleidet.
D. S.
Von welchem Adler sprechen wir?
H. S.
Gleichgültig. An sich gleichgültig…
Wobei es sich hier konkret um die die Treppe am Eingang zur Universität handelt. Also ist hier die Rede vom sogenannten Ehrenmal.
Pause
Weit und breit ist niemand zu sehen. Die Frau trägt einen Koffer, ist unterwegs. Sie ist vielbeschäftigt. Gedanklich. Immerzu.
Und dann spricht sie: ‚Ich habe meine Gedanken nie ordnen, nie einem Gedanken nachgehen können, ohne dass ich einen zweiten habe kommen sehen.‘
Pause
D. S.
Eine Wechseldenkerin…
H. S.
…im besten Sinne…
Wechseldenken.
Pause
Eine anstrengende Praxis.
Pause
A critical mind.
SOGENANNTES EHRENMAL DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
Musik (Catalogue d’Oiseaux von Olivier Messiaen)
Langsame Kamerafahrten vermessen die Oberflächen, Strukturen und Geometrien des Monuments. Zwittermediale Darstellungen.
H. S.‘ Stimme im Off
Da hätte sie angefangen, sich einzulassen auf die Situation,
die Berge, ganz nah jetzt,
der Adler,
EHRE
FREIHEIT
die Stadt,
die Lage am Inn,
VATERLAND
das Anderswo,
die Lage der Nation,
die Mütter,
überall,
die Universität,
Lehre und Forschung,
Freiheit der Forschung,
Lateinamerika,
das Dunkel, das nicht mit sich reden lässt,
Leere,
der kalte Himmel,
die unterschiedlichsten Dinge.
Und dann schreit sie.
Am Ende der Kamerafahrt:Stille
THE WHITE FIELD
H. S.
Die Frau hätte den Adler betrachtet – das Mal.
Pause
Und sie hätte die Welt vom Denkmal her sehen können – hätte die Welt auch aus der Sicht des Adlers gesehen. Der Blick der Frau, der des Vogels, auf die Umgebung, die Welt: der Blick auf die Universität…
Unvereinbar, würde man meinen.
Pause
Verstehen Sie?
D. S.
Ja. Ich verstehe.
Pause
Wird sie reden?
H. S.
Sie hätte gedacht.
Hätte schnell – und laut – gedacht.
Ja, sie hätte geredet.
Sie hätte gesprochen von der Unmöglichkeit von Missverständnissen. Davon, dass Zeichen nicht mehr bedeuten würden, was sie – vielleicht – mal bedeutet haben könnten. Oder: was man glaubt, was ihre Intention gewesen wäre.
Sie spräche vom Lauf der Dinge, vom Verrinnen der Zeit, von der immer schon dagewesenen Vieldeutigkeit der Zeichen, von gesellschaftlichen Verschiebungen.
Und sie hätte vom nicht ganz einfachen Verhältnis von Missverständnis und Unverständnis gesprochen. Davon, dass man korrekterweise eigentlich nur von sogenannten Missverständnissen sprechen könne.
…..
(Fortsetzung folgt)
Epilog
Das ist ein Film. Es wäre der Beginn eines Prozesses. Dieser Prozess wird eine nachhaltige künstlerisch-wissenschaftliche Intervention am sogenannten Ehrenmal sein. Ein anhaltend-fortlaufender Prozess als dauerhafte Intervention.
Eine physische Intervention am Denkmal, welche in die gewünschte Richtung wirkt: unter den gegebenen Umständen (Zeitrahmen, Budget, Denkmalschutz, politische Situation) unmöglich.
Statt dessen werden filmisch Potentiale möglicher Projekte erörtert, welche die Umstände verändern, erweiterte Diskurse sowie neue Medien und ausserkünstlerische Disziplinen – die Universität – einbeziehen
Das Projekt, der Film ist die Beschreibung von Operationen nicht am Objekt, sondern im Wirkungskreis des Objektes.
Die Annäherung an mögliche Projekte zeitgenössischer Wirklichkeiten lässt diese im Moment ihrer filmischen Beschreibung Realität und damit Intervention werden– sie sind die Intervention.
VOGELFLUG zitiert Marguerite Duras‘ LE CAMION , Heiner Müllers BILDBESCHREIBUNG, den Innsbrucker LANDHAUSPLATZ von LAAC / Stiefel & Company Architects und kann als deren Übersetzung und Weiterschreibung gelesen werden.
Der Film soll zu den Eröffnungsfeierlichkeiten zum 350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck uraufgeführt werden. Danach soll er im räumlichen Kontext zum Monumentüber einen gewissen Zeitraum öffentlich gezeigt werden.
VOGELFLUG als Wettbewerbsbeitrag markiert den Beginn des Prozesses einer kritischen, transdisziplinären und transmedialen Auseinandersetzung mit den mannigfaltigen Auswirkungen der Präsenz des sogenannten Ehrenmals vor dem Eingang des Hauptgebäudes der Universität Innsbruck. Der zu produzierende Film wird die Aktivitäten zum Start dieses Prozesses mitbeschreiben. Es wird ein interdisziplinäres Symposium zum Thema im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten an der Universität Innsbruck vorgeschlagen.
Anmerkungen
Anmerkungen 1
Über sogenannte Missverständnisse, versuchte Umdeutungen,
Korrekturen
Bewusst oder planerisch herbeigeführte Umdeutungen von bestehenden Denkmälern sind äusserst schwierig zu bewerkstelligen. Demgegenüber führen kollektive Fehlinterpretationen von Denkmälern (etwa durch eine visuelle Kommunikation, die Missverständnisse provoziert), oft automatisch zu Umdeutungen im öffentlichen Bewusstsein. „Korrekturen“ sind dann nur mehr sehr schwer anzubringen.
Die Formulierung in der Ausschreibung, dass das sogenannte Ehrenmal „ästhetisch häufig fälschlicherweise dem Nationalsozialismus zugeordnet“ werde, ist zwar von seiner Entstehungsgeschichte aus gesehen korrekt, blendet aber aus, dass das Denkmal durch seine Rezeptionsgeschichte bereits eine Umdeutung erfahren hat.
In diesem Kontext scheint die Anbringung von Erinnerungs-Plaketten für den Widerstandskampfer Christoph Probst (Mitglied der WeiBen Rose) und den in Lateinamerika ermordeten Befreiungstheologen Ignacio Ellacuria und Segundo Montes zynisch.
Als einzige und unmittelbare physische Operation am sogenannten Ehrenmal schlagen wir vor, diese Plaketten zu entfernen und in respektvoller Form separiert davon zu präsentieren.
Der Film böte die Möglichkeit, nicht nur das Verhältnis der Universität zum zeithistorischen Kontext und zur Wirkungsweise des sogenannten Ehrenmals zu klären, sondern diese in einen grösseren Kontext zu stellen, interdisziplinär zu diskutieren (Interviews, Diskussionen, Symposien) und mit nationalen und internationalen Referenzobjekten und –situationen zu vergleichen.
All das würde filmisch in den dafür vorgesehenen Reflektionsräumen THE WHITE FIELD / THE OPEN NICHE des Projektes VOGELFLUG gezeigt.
Anmerkungen 2
Herleitung des Projektvorschlags aus einer Beschreibung/Befragung der Auslobung und einiger ihrer Schlüssel-begriffe
Auszug aus der Ausschreibung:
„Der aus Kupfer getriebene Adler auf einem dreieckigen Steinsockel wurde 1926 nach einem Entwurf des Architekten Lois Welzenbacher unmittelbar vor dem Hauptgebäude der Universität am lnnrain zur Erinnerung an die im 1. Weltkrieg gefallenen Universitätsangehörigen errichtet.
Das Projekt wurde von der zeitgenössisch überwiegend deutschnationalen Stimmung unter Professorenschaft und Studierenden getragen. Die monumentale Struktur, die ästhetisch häufig fälschlicherweise dem Nationalsozialismus zugeordnet wird, dominiert weiterhin den Vorplatz des Hauptgebäudes der LFUI. An diesem Eindruck hat sich trotz Umbenennung in Christoph Probst Platz und Hinzufügung zwei kleiner Plaketten für den Widerstandskampfer Christoph Probst (Mitglied der Weissen Rose) und zwei in Lateinamerika ermordeter Befreiungstheologen, die in Innsbruck studiert hatten, wenig geändert. Zwischenzeitliche aktivistische Interventionen wie ein Spray-Anschlag mit rosa Farbe wurden wieder rückgängig gemacht. Das „Ehrenmal" steht mittlerweile unter Denkmalschutz und entsprechende direkte Eingriffe mussten auch mit dem Denkmalamt abgesprochen werden. (…)
Die LFU mochte nun ihr Jubiläumsjahr nutzen, um ein öffentliches Zeichen für einen offenen und selbstkritischen Umgang mit der eigenen Geschichte zu setzen sowie ein zukunftsweisendes Bekenntnis für die Verantwortung einer modernen und weltoffenen Universität abzulegen. Für eine dauerhafte künstlerische Intervention am „Ehrenmal" spricht deren Öffentlichkeit und gute Sichtbarkeit im Innsbrucker Stadtbild, direkt vor dem alten Hauptgebäude der Universität. Diese „Intervention" sollte somit ein Symbol sein/werden, für die Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft der Universität und für das, was sie als grösste wissenschaftliche Bildungseinrichtung im Westen Österreichs steht.
(siehe Leitbild der LFUI: https:Uwww.uibk.ac.at/universitaet/profil/leitbild.html).“
1/
Was ist ein
> zukunftsweisendes
> Bekenntnis für die
> Verantwortung einer
> modernen und
> weltoffenen
> Universität
?
2/
Was ist ein
> Symbol für
> die Vergangenheit,
> das Jetzt,
> die Zukunft
> der Universität
> und das, wofür sie steht
?
3/
Was ist möglich im vorgegebenen Zeitrahmen von
> 11 Monaten
(Ausschreibung: „bis spätestens Ende September 2019 umgesetzt“)
4/
Was ist möglich im vorgesehenen Kostenrahmen?
> Budget: EUR 30.000,-
Zu 1/:
1 a/
ZUKUNFTSWEISEND
Duden:
fortschrittlich; auf die Zukunft bezogen
(Synonyme: bahnbrechend, epochal, fortschrittlich, modern, programmatisch, progressiv, schicksalhaft, wegweisend)
Wie kann diese Eigenschaft mittels des Projektes ausgedrückt werden?
- Die neuesten wissenschaftlichen Diskurse zum Thema aufgreifend?
…
Was war Motivation und Begründung für die Unterschutzstellung? Wann wurde das s.g. Ehrenmal unter Schutz gestellt? (Politischer, gesellschaftlicher Kontext).
Zuständig für eine zu führende Diskussion ist der Landeskonservator.
Zukunftsweisend und konservierend sind nur schwerlich vereinbare Begriffe (es sei denn, es gehe um Methoden des Konservierens, wofür die Wissenschaft zuständig wäre, und nicht die Kunst). Das bedeutet, dass der Aspekt des Schutzes des unter Schutz stehenden Denkmals sich nicht auf das Objekt beschränken kann, denn der weitestführende Schutz des physischen Objektes an sich entspräche einer Konservierung des Objektes.
Zukunftsorientierter Denkmalschutz könnte hier bedeuten, dass man das Denkmal vor seiner eigenen Bedeutung schützt (Jenny Holzer: „Protect me from what I want“). Dieser Schutz kann nur gewährleistet werden, wenn man die zur Entstehungszeit des Denkmals intendierte Aussage innerhalb heutiger (und zukünftiger) Diskurse kritisch hinterfragt, überprüft, zur Diskussion stellt und neu verortet. Eine solche Neu-Verortung ist ein transformativer Prozess.
Schützen heisst: Voraussetzungen und Räume zu schaffen, innerhalb derer sich das zu Schützende entwickeln kann. Zukunftsweisend kann nur sich Entwickelndes sein. Alles andere ist tot und damit Vergangenheit.
Soll es zukunftsweisend aus heutiger Sicht sein, oder die Zukünfte künftiger Zeiten mit einbeziehen?
(Cultural Heritage als transformative Praxis.)
1 b/
BEKENNTNIS
Duden:
1.adas [Sich]bekennen, [Ein]geständnis
1.bErinnerungen, Lebensbeichte
2das Eintreten für etwas, das Sichbekennen zu etwas
3.aformulierter Inhalt des Bekenntnisses, Glaubensformel
3.bReligionszugehörigkeit, Konfession
Es ist aus der Aufgabenstellung kein Bekenntnis der Universität zu einer klaren Haltung in Bezug auf das s.g. Ehrenmal erkennbar.
D.h., dass die Universität mit diesem Wettbewerb/dieser Aufgabenstellung von der Kunst ein Bekenntnis zur Thematik erwartet, das sie, die Universität als Auftraggeberin, als sichtbares Zeichen setzt.
Es ist interessant, dass seitens der Universität die Funktion der Kunst so umfassend verstanden wird, dass diese auch auf Gebieten, auf denen die Universität selber lehrt und forscht, die Kunst/Architektur zu Rate gezogen wird, um die Haltung der Universität zu einem in unseren Gesellschaften kontrovers diskutierten Thema zu klären und zu kommunizieren. Das verstehen wir als grossartige Einladung zu einem Dialog zwischen den Wissenschaften und den Künsten.
Es ist weiter interessant, dass die erweiterten Funktionen von zeitgenössischer Architektur (jenseits baulicher Aufgabenstellungen) seitens der Universität Innsbruck wahrgenommen werden – warum sonst wären wir zu diesem Wettbewerb geladen?
Kann man das dahingehend verstehen, dass der Beitrag des Landhausplatz-Projekts als (architektonischer) Beitrag zur zeitgenössischen Denkmal-Diskussion von wissenschaftlicher Seite anerkannt wird? – Entsprechende Einschätzungen/Stellungnahmen wären aufschlussreich.
Kann die Kunst / können wir / kann das Projekt der Universität das Bekenntnis abnehmen?
Oder umgekehrt: Kann die Universität dieses geforderte Bekenntnis an die Kunst delegieren?
Wo bleibt das Bekenntnis seitens der Wissenschaften und seitens der Institution?
Ist das Projekt eine Maske?
1 c/
VERANTWORTUNG
Duden:
1.a[mit einer bestimmten Aufgabe, einer bestimmten Stellung verbundene] Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht
1.bVerpflichtung, für etwas Geschehenes einzustehen [und sich zu verantworten]
2Verantwortungsbewusstsein, -gefühl
3(veraltet, noch landschaftlich) Rechtfertigung
(Bezieht sich auf: moderne, weltoffene Universität)
Was kann und/oder muss die Universität tun bzw. berücksichtigen, um in Bezug auf den Umgang mit dem s.g. Ehrenmal dafür zu sorgen, dass:
Wie können Antworten auf obenstehende Fragen in eine künstlerische Intervention am s.g. Ehrenmal übersetzt werden?
Was ist „ein guter Verlauf“?
Was ist „das Notwendige“?
Was ist „das Richtige“?
Von welchem Standpunkt aus wird geschaut? Vom Standpunkt der Universität aus? Von dem der Öffentlichkeit? Der Wissenschaft? Der Kunst? Der Burschenschafter?
Und: wie divers konnotiert sind diese Entitäten: Universität, Öffentlichkeit, Wissenschaften….?
Ist ein „guter Verlauf“ wenn alles ruhig bleibt?
Oder im Gegenteil?
Ist es „notwendig“, dass die Universität sich politisch positioniert?
Gesellschaftlich positioniert?
– Wir denken, dass es jedenfalls notwendig wäre, dass sie sich wissenschaftlich positioniert. –
Ist es „richtig“, diese Fragen zu stellen?
Können wir als Architekten, als Künstlerinnen die von uns geforderte Arbeit überhaupt liefern, wenn wir nicht wirklich wissen, ob und wie die Universität für Geschehenes (welches Geschehene?) die Verantwortung zu übernehmen bereit ist, wie sie es sich selber verspricht – eben durch unsere Arbeit?
1 d/
MODERN
Duden:
1.der herrschenden bzw. neuesten Mode entsprechend
2.adem neuesten Stand der geschichtlichen, gesellschaftlichen, kulturellen, technischen o. ä. Entwicklung entsprechend; neuzeitlich, heutig, zeitgemäß
2.ban der Gegenwart, ihren Problemen und Auffassungen orientiert, dafür aufgeschlossen; in die jetzige Zeit passend
3.der neuen oder neuesten Zeit zuzurechnen
(Bezieht sich auf: Universität)
Als Architekten und Künstlerinnen können wir obige Definition von „modern“ berücksichtigen in Bezug auf:
Es wäre vermessen, von Seite der Kunst oder Architektur aus die dem Denkmal zugrundeliegenden Inhalte und Rezeptionsverhältnisse auf dem neuesten Stand der geschichtlichen, gesellschaftlichen, kulturellen, technischen o. ä. Entwicklung zu thematisieren, ohne den antizipierenden, spekulativen und nicht wissenschaftlichen Charakter der Stellungnahmen herauszustreichen – ganz besonders wenn der Auftraggeber eine Universität ist.
1 e/
WELTOFFEN
Duden:
offen, aufgeschlossen für Leben und Welt
(Bezieht sich auf: Universität)
Offen und aufgeschlossen für das Leben und die Welt.
Innsbruck ist nicht die Welt, Tirol ist nicht die Welt, Österreich ist es nicht.
Warum sind hauptsächlich Künstler und Künstlerinnen „aus Österreich“ zu diesem Wettbewerb eingeladen?
Das Thema ist viel zu wichtig, als dass es „nur“ in Bezug auf eine nationale, ggf. im deutschsprachigen Raum geführte Debatte um Repräsentationen grossdeutschen bzw. (neo-) nationalsozialistischen Gedankenguts behandelt werden darf. Wenn die Universität Innsbruck durch den Umgang mit diesem s.g. Ehrenmal ihre weltoffene Modernität kommunizieren will, gilt es sowohl in der Aufarbeitung als auch in der Vermittlung internationale Debatten und Referenzen miteinzubeziehen und die Erkenntnisse international zur Diskussion zu stellen.
1 f/
UNIVERSITÄT
Duden:
1.in mehrere Fakultäten gegliederte [die Gesamtheit der Wissenschaften umfassende] Anstalt für wissenschaftliche Ausbildung und Forschung; Hochschule. Kurzwort: Unität
2.Gesamtheit der Dozenten, Dozentinnen und Studierenden einer Universität
3.Gebäude[komplex], in dem sich eine Universität befindet
Liste möglicher zu involvierender Institute (A-Z):
2 a/
SYMBOL
Duden:
1.Sinnbild
2.(Fachsprache) Formelzeichen; Zeichen
3.(in der Antike) durch Boten überbrachtes Erkennungszeichen zwischen Freunden, Vertragspartnern o. Ä.
4.christliches Tauf- oder Glaubensbekenntnis
Es scheint absurd, ein historisch äusserst problematisch konnotiertes Symbol aus den 20er Jahren durch eine künstlerische Intervention zu einem Symbol umzufunktionieren, das für die Werte einer zukunftsorientierten Universität steht.
2 b/
VERGANGENHEIT
Duden:
1.ader Gegenwart vorangegangene Zeit [und das in ihr Geschehene]
1.bjemandes Leben bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt
2.(Sprachwissenschaft) Zeitform, die ein vergangenes Geschehen ausdrückt
2 c/
JETZT (das)
Duden:
Zeit, die nur als Gegenwart erlebt oder die im Gegensatz zu einer lange vergangenen Zeit gesehen wird.
2 d/
ZUKUNFT
Duden:
1.aZeit, die noch bevorsteht, die noch nicht da ist; die erst kommende oder künftige Zeit (und das in ihr zu Erwartende)
1.bjemandes persönliches, zukünftiges Leben; jemandes noch in der Zukunft liegender Lebensweg
2(Sprachwissenschaft) Zeitform, die ein zukünftiges Geschehen ausdrückt; Futur
Zeit / Verlauf der Zeit / Zeitschnitte / Zeitliche Relationen
Das Potential sehen wir in der Überlagerung der unterschiedlichen involvierten Zeitebenen (u.a. bez. Rezeptionsunterschieden).
2 e/
UNIVERSITÄT
Siehe 1 f/
2 f/
DAS, WOFÜR DIE UNIVERSITÄT STEHT
(Ausschreibung sagt: s. Leitbild der Universität)
Auszug aus dem Leitbild:
Dafür stehen wir:
Die Freiheit in Forschung und Lehre ist Grundlage unseres Handelns. Sie verpflichtet uns zugleich, unser Schaffen selbstkritisch und nach ethischen Gesichtspunkten zu durchleuchten. Dazu ist ein nachhaltiger Umgang mit den vorhandenen Ressourcen selbstverständlich, ebenso wie ein reflektierter Umgang mit unseren Forschungsergebnissen und neuen Technologien.
Wir pflegen eine offene und ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe. Die Wertschätzung der persönlichen Lebensleistung und ein solidarischer Umgang miteinander sind uns wichtig. Durch nachvollziehbare und transparente Strukturen schaffen wir eine zum Mitwirken motivierende Umgebung.
Universität ist und lebt von Vielfalt – an Biografien, Ideen, Lebensentwürfen, Meinungen und Methoden, die wir durch (Geschlechter-)Gleichstellung, Inklusion sowie Vereinbarkeit von Beruf und Studium mit Betreuungspflichten fördern. Diese Vielfalt bildet die Voraussetzung für ein erkenntnisreiches und inspirierendes Studium, wissenschaftliche Spitzenleistungen und die Anerkennung durch die Gesellschaft. Als Leopold-Franzens-Universität Innsbruck agieren wir hier als Vorbild und setzen uns aktiv für eine offene Gesellschaft ein.
(Innsbruck, Juli 2017)
Ggf. Leitbegriffe für das Projekt:
Stiefel & Company Architects
VOGELFLUG
Ein Beitrag zum geladenen Wettbewerb für die Entwicklung und Umsetzung einer dauerhaften künstlerischen Intervention am ‚sogenannten Ehrenmal‘ der Universität Innsbruck anlässlich ihres 350.jährigen Bestehens im Jahr 2019
Ausloberin:
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (LFUI)
unter Rektor Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Tilmann Märk, 2018
Hannes Stiefel und Dominic Schwab / Stiefel & Company Architects
Inhalt:
Prolog
VOGELFLUG
Epilog
Anmerkungen
Anmerkung 1
Missverständnisse, Umdeutungen, Korrekturen
Anmerkung 2
Projektherleitung aus Schlüsselbegriffen der Auslobung
Anhang
Kosten / Zeitrahmen
Prolog
Was ist ein zukunftsweisendes Bekenntnis für die Verantwortung einer modernen und weltoffenen Universität?
Was ist ein Symbol für die Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft der Universität und das, wofür sie steht?
Es scheint erst mal absurd, ein historisch äusserst problematisch konnotiertes Symbol aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts fast 100 Jahre später durch eine künstlerische Intervention zu einem Zeichen umzufunktionieren, das für die Werte einer zukunftsorientierten Universität steht.
Sprechen wir von der Zukunft aus heutiger Sicht oder auch von möglichen Zukünften künftiger Zeiten?
Kann die Kunst / können wir / kann das Projekt das gewünschte Bekenntnis stellvertretend resp. im Auftrag der Universität erbringen?
Oder umgekehrt: Kann die Universität die Formulierung dieser geforderten (sichtbaren) Positionierung an die Kunst abtreten?
Soll das entsprechende Bekenntnis seitens der Wissenschaften selbst, mittels ihrer eigenen Mittel und Methoden, auf den akademischen und/oder disziplin-internen Diskurs beschränkt bleiben?
Soll eine entsprechende Positionierung oder Haltung der Institution Universität selbst auf allgemeine Formulierung im Leitbild der Universität beschränkt und damit praktisch unsichtbar, kaum hörbar bleiben?
Könnte es sein, dass hier ein ZUSAMMENSCHLUSS DER WISSEN-SCHAFTEN UND DER KÜNSTE gefordert wäre?
VOGELFLUG
TITELMELODIE
TOTALE: Es ginge los entlang der Nordkette, einer alpinen Gebirgskette des Karwendel oberhalb von Innsbruck (Tirol, Österreich). Ankunft am Platz vor dem Hauptgebäude der Universität. Dort steht das sogenannte Ehrenmal. Architekt und Künstler: Lois Welzenbacher. Errichtet: 1926. Ein Adler aus getriebenem Kupfer, Höhe wohl 4 Meter. Er steht auf einem Sockel (dreieckig im Plan, massiver Naturstein, Gesamthöhe: gegen 8 Meter. Inschrift: EHRE FREIHEIT VATERLAND. Zwei kleine Gedenktafeln und zwei übriggebliebene Bäume ‚komplettieren‘ das Monument.
LANDHAUSPLATZ INNSBRUCK (Eduard-Wallnöfer-Platz). Das Befreiungsdenkmal von 1946-1948, dahinter das 1938/39 erbaute heutige Landhaus, ehemaliges Gauhaus für Tirol und Vorarlberg (Reichsstatthalterei und regionaler Parteisitz der NSDAP), schräg gegenüber das Hochhaus der Stadtwerke von 1926/27, Architekt: Lois Welzenbacher. Auf dem Befreiungsdenkmal ganz oben: ein Adler, kupfergetrieben. Blick auf die Betrachtenden gerichtet. Dann hebt er ab, fliegt auf uns zu, dreht kurz vor der Kamera ab. Ein Teil seines Körpers durchquert den Bildraum, man selbst durchquert den Vogelkörper. Der Vogel verschwindet. Kommt durch einen Dreh der Kamera wieder ins Blickfeld. Verschwindet. Blick Richtung Stadtwerke, der Landhausplatz: leer.
Der Film hat begonnen.
INNRAIN, HAUPTGEBÄUDE DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK (Leopold-Franzens-Universität). Langsame seitliche Kamerafahrt entlang der Südost-Fassade von Süd-West nach Nord-Ost. Die Kamera entfernt sich und an Stelle des so genannten Ehrenmals zeigt sich: ein Loch im Boden, ausgehobenes Erdreich. Das Blattwerk der Bäume filtert die Sicht auf das Universitätsgebäude.
Stimme aus dem Off:
Es wäre auf einem Pfad im Gebirge gewesen. Sie wäre in einer steil neben ihr abfallenden, über ihr aufsteigenden Felswand gegangen.
Pause
Und dann wäre der Adler gekommen.
Er wäre langsam durch die Lüfte geglitten.
Dunkler Himmel. Spätherbst oder früher Winter.
Auch ein leichter Nebel, ein sehr leichter, heftet sich überall ans Gestein, sitzt in der kargen Vegetation. Fetzen von Nebel steigen vom Talboden auf.
Stille. Dann Musik.
Ein helles, weites Feld. Klinische, surreal anmutende Atmosphäre. Aus der fast gänzlichen Abwesenheit von Schattenwürfen kann geschlossen werden, dass die Sonne, oder was immer Licht auf diese Szene wirft, im Zenith steht im Augenblick des Filmes. Es handelt sich weniger um einen Aufenthaltsraum als vielmehr um einen offenen, fast endlos sich ausdehnenden Zustand, mit Tisch und zwei Sesseln. Es sind keine weiteren Einrichtungsgegenstände erkennbar. Durch einen dunklen Spalt (im Boden? der Wand? in der Decke?) sieht man die Schwärze einer mutmasslichen Nacht von anderswo. Also ist die Gegend gegen das Dunkel abgelichtet, abgegrenzt gegen diesen andern Raum. Zwei Personen, am Tisch sitzend: die Verfasser (Contemplators). Auf dem Tisch Manuskripte. Das Script des möglichen Filmes wird also vorgelesen, sie werden die Erzählung lesen.
Im Verlaufe des Films tauchen Gegenstände auf, schemenhaft nur, verschwinden wieder. Das Licht bleibt dasselbe wie auch die Art des Lesens, die Form des Manuskripts. Die Personen, die Verfasserinnen wechseln und bleiben doch dieselben. Diesen Raum, diese Gegend kann man DAS WEISSEE FELD / THE WHITE FIELD oder Lese-Raum nennen.
Mit Ausnahme des ‚Off‘ sowie einer kleinmassstäblichen Form des WEISSEN FELDES, der OFFENEN NISCHE / THE OPEN NICHE, spielt der ganze Film an diesem Ort.
Der Einsatz der Musik erfolgt intuitiv durch den Interpreten/die Interpretin. Es gibt nur sehr wenige entsprechenden Regieanweisungen.
Da fängt dann DAS WEISSE FELD an:
D. S.
Das ist eine dauerhafte künstlerische Intervention?
H. S.
Es würde eine dauerhafte künstlerische Intervention gewesen sein.
Pause
Es ist eine künstlerische Intervention.
Vielleicht eher: nachhaltig denn dauerhaft… Sustainability – ein fürchterliches Wort, aber…
Pause
Nachhaltig ist was fortlaufend Wirkung zeigt.
Oder eigentlich: was über die Zeit anhaltend fortlaufend Wirkung zeigt. Ohne Ende.
Von Dauer ist also nicht die Intervention, sondern deren Wirkung. Die Intervention selbst kann verschwinden, sich auflösen, verflüchtigen – niemanden wird das interessieren… Das funktioniert natürlich nur, wenn die Intervention weitere Interventionen auslöst. Darum muss es gehen: ein anhaltend fortlaufender Prozess. Unkontrollierbar gewissermassen. Unvorstellbar, oder zumindest: unvorhersehbar. Riskant jedenfalls… für alle…
Pause
Ja, es ist eine künstlerische Intervention.
Es ist ein Film.
Es ist der Beginn eines Prozesses, der, kaum merklich, eben erst begonnen hat. Es ist ein Prozess, ein Film, eine Intervention, ein Projekt der/die/das dauerhaft fortgeschrieben werden wird. Unausweichlich. Unaufhaltsam.
Pause
Sehen Sie?
D. S.
Ja. Ich sehe.
H. S.
Man hätte den Körper des Vogels also von innen gesehen gehabt. Obzwar ganz kurz nur, würde man Teil des Vogels gewesen sein.
Pause
Der Adler wäre verschwunden. Und er wäre dann wieder erschienen.
Sehen Sie?
D. S.
Ich sehe.
H. S.
Man hätte den Berg gehört, den Wind, von weit her, aber sehr laut.
Und dann hätte auf den Treppenstufen eine Frau gewartet. Scheinbar abwesend. In Gedanken versunken, den Blick auf den Vogel gerichtet. Man hätte sich ihr genähert. Eine Frau in einem gewissen Alter. Bemerkenswert gekleidet.
D. S.
Von welchem Adler sprechen wir?
H. S.
Gleichgültig. An sich gleichgültig…
Wobei es sich hier konkret um die die Treppe am Eingang zur Universität handelt. Also ist hier die Rede vom sogenannten Ehrenmal.
Pause
Weit und breit ist niemand zu sehen. Die Frau trägt einen Koffer, ist unterwegs. Sie ist vielbeschäftigt. Gedanklich. Immerzu.
Und dann spricht sie: ‚Ich habe meine Gedanken nie ordnen, nie einem Gedanken nachgehen können, ohne dass ich einen zweiten habe kommen sehen.‘
Pause
D. S.
Eine Wechseldenkerin…
H. S.
…im besten Sinne…
Wechseldenken.
Pause
Eine anstrengende Praxis.
Pause
A critical mind.
SOGENANNTES EHRENMAL DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
Musik (Catalogue d’Oiseaux von Olivier Messiaen)
Langsame Kamerafahrten vermessen die Oberflächen, Strukturen und Geometrien des Monuments. Zwittermediale Darstellungen.
H. S.‘ Stimme im Off
Da hätte sie angefangen, sich einzulassen auf die Situation,
die Berge, ganz nah jetzt,
der Adler,
EHRE
FREIHEIT
die Stadt,
die Lage am Inn,
VATERLAND
das Anderswo,
die Lage der Nation,
die Mütter,
überall,
die Universität,
Lehre und Forschung,
Freiheit der Forschung,
Lateinamerika,
das Dunkel, das nicht mit sich reden lässt,
Leere,
der kalte Himmel,
die unterschiedlichsten Dinge.
Und dann schreit sie.
Am Ende der Kamerafahrt:Stille
THE WHITE FIELD
H. S.
Die Frau hätte den Adler betrachtet – das Mal.
Pause
Und sie hätte die Welt vom Denkmal her sehen können – hätte die Welt auch aus der Sicht des Adlers gesehen. Der Blick der Frau, der des Vogels, auf die Umgebung, die Welt: der Blick auf die Universität…
Unvereinbar, würde man meinen.
Pause
Verstehen Sie?
D. S.
Ja. Ich verstehe.
Pause
Wird sie reden?
H. S.
Sie hätte gedacht.
Hätte schnell – und laut – gedacht.
Ja, sie hätte geredet.
Sie hätte gesprochen von der Unmöglichkeit von Missverständnissen. Davon, dass Zeichen nicht mehr bedeuten würden, was sie – vielleicht – mal bedeutet haben könnten. Oder: was man glaubt, was ihre Intention gewesen wäre.
Sie spräche vom Lauf der Dinge, vom Verrinnen der Zeit, von der immer schon dagewesenen Vieldeutigkeit der Zeichen, von gesellschaftlichen Verschiebungen.
Und sie hätte vom nicht ganz einfachen Verhältnis von Missverständnis und Unverständnis gesprochen. Davon, dass man korrekterweise eigentlich nur von sogenannten Missverständnissen sprechen könne.
…..
(Fortsetzung folgt)
Epilog
Das ist ein Film. Es wäre der Beginn eines Prozesses. Dieser Prozess wird eine nachhaltige künstlerisch-wissenschaftliche Intervention am sogenannten Ehrenmal sein. Ein anhaltend-fortlaufender Prozess als dauerhafte Intervention.
Eine physische Intervention am Denkmal, welche in die gewünschte Richtung wirkt: unter den gegebenen Umständen (Zeitrahmen, Budget, Denkmalschutz, politische Situation) unmöglich.
Statt dessen werden filmisch Potentiale möglicher Projekte erörtert, welche die Umstände verändern, erweiterte Diskurse sowie neue Medien und ausserkünstlerische Disziplinen – die Universität – einbeziehen
Das Projekt, der Film ist die Beschreibung von Operationen nicht am Objekt, sondern im Wirkungskreis des Objektes.
Die Annäherung an mögliche Projekte zeitgenössischer Wirklichkeiten lässt diese im Moment ihrer filmischen Beschreibung Realität und damit Intervention werden– sie sind die Intervention.
VOGELFLUG zitiert Marguerite Duras‘ LE CAMION , Heiner Müllers BILDBESCHREIBUNG, den Innsbrucker LANDHAUSPLATZ von LAAC / Stiefel & Company Architects und kann als deren Übersetzung und Weiterschreibung gelesen werden.
Der Film soll zu den Eröffnungsfeierlichkeiten zum 350-Jahr-Jubiläum der Universität Innsbruck uraufgeführt werden. Danach soll er im räumlichen Kontext zum Monumentüber einen gewissen Zeitraum öffentlich gezeigt werden.
VOGELFLUG als Wettbewerbsbeitrag markiert den Beginn des Prozesses einer kritischen, transdisziplinären und transmedialen Auseinandersetzung mit den mannigfaltigen Auswirkungen der Präsenz des sogenannten Ehrenmals vor dem Eingang des Hauptgebäudes der Universität Innsbruck. Der zu produzierende Film wird die Aktivitäten zum Start dieses Prozesses mitbeschreiben. Es wird ein interdisziplinäres Symposium zum Thema im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten an der Universität Innsbruck vorgeschlagen.
Anmerkungen
Anmerkungen 1
Über sogenannte Missverständnisse, versuchte Umdeutungen,
Korrekturen
Bewusst oder planerisch herbeigeführte Umdeutungen von bestehenden Denkmälern sind äusserst schwierig zu bewerkstelligen. Demgegenüber führen kollektive Fehlinterpretationen von Denkmälern (etwa durch eine visuelle Kommunikation, die Missverständnisse provoziert), oft automatisch zu Umdeutungen im öffentlichen Bewusstsein. „Korrekturen“ sind dann nur mehr sehr schwer anzubringen.
Die Formulierung in der Ausschreibung, dass das sogenannte Ehrenmal „ästhetisch häufig fälschlicherweise dem Nationalsozialismus zugeordnet“ werde, ist zwar von seiner Entstehungsgeschichte aus gesehen korrekt, blendet aber aus, dass das Denkmal durch seine Rezeptionsgeschichte bereits eine Umdeutung erfahren hat.
In diesem Kontext scheint die Anbringung von Erinnerungs-Plaketten für den Widerstandskampfer Christoph Probst (Mitglied der WeiBen Rose) und den in Lateinamerika ermordeten Befreiungstheologen Ignacio Ellacuria und Segundo Montes zynisch.
Als einzige und unmittelbare physische Operation am sogenannten Ehrenmal schlagen wir vor, diese Plaketten zu entfernen und in respektvoller Form separiert davon zu präsentieren.
Der Film böte die Möglichkeit, nicht nur das Verhältnis der Universität zum zeithistorischen Kontext und zur Wirkungsweise des sogenannten Ehrenmals zu klären, sondern diese in einen grösseren Kontext zu stellen, interdisziplinär zu diskutieren (Interviews, Diskussionen, Symposien) und mit nationalen und internationalen Referenzobjekten und –situationen zu vergleichen.
All das würde filmisch in den dafür vorgesehenen Reflektionsräumen THE WHITE FIELD / THE OPEN NICHE des Projektes VOGELFLUG gezeigt.
Anmerkungen 2
Herleitung des Projektvorschlags aus einer Beschreibung/Befragung der Auslobung und einiger ihrer Schlüssel-begriffe
Auszug aus der Ausschreibung:
„Der aus Kupfer getriebene Adler auf einem dreieckigen Steinsockel wurde 1926 nach einem Entwurf des Architekten Lois Welzenbacher unmittelbar vor dem Hauptgebäude der Universität am lnnrain zur Erinnerung an die im 1. Weltkrieg gefallenen Universitätsangehörigen errichtet.
Das Projekt wurde von der zeitgenössisch überwiegend deutschnationalen Stimmung unter Professorenschaft und Studierenden getragen. Die monumentale Struktur, die ästhetisch häufig fälschlicherweise dem Nationalsozialismus zugeordnet wird, dominiert weiterhin den Vorplatz des Hauptgebäudes der LFUI. An diesem Eindruck hat sich trotz Umbenennung in Christoph Probst Platz und Hinzufügung zwei kleiner Plaketten für den Widerstandskampfer Christoph Probst (Mitglied der Weissen Rose) und zwei in Lateinamerika ermordeter Befreiungstheologen, die in Innsbruck studiert hatten, wenig geändert. Zwischenzeitliche aktivistische Interventionen wie ein Spray-Anschlag mit rosa Farbe wurden wieder rückgängig gemacht. Das „Ehrenmal" steht mittlerweile unter Denkmalschutz und entsprechende direkte Eingriffe mussten auch mit dem Denkmalamt abgesprochen werden. (…)
Die LFU mochte nun ihr Jubiläumsjahr nutzen, um ein öffentliches Zeichen für einen offenen und selbstkritischen Umgang mit der eigenen Geschichte zu setzen sowie ein zukunftsweisendes Bekenntnis für die Verantwortung einer modernen und weltoffenen Universität abzulegen. Für eine dauerhafte künstlerische Intervention am „Ehrenmal" spricht deren Öffentlichkeit und gute Sichtbarkeit im Innsbrucker Stadtbild, direkt vor dem alten Hauptgebäude der Universität. Diese „Intervention" sollte somit ein Symbol sein/werden, für die Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft der Universität und für das, was sie als grösste wissenschaftliche Bildungseinrichtung im Westen Österreichs steht.
(siehe Leitbild der LFUI: https:Uwww.uibk.ac.at/universitaet/profil/leitbild.html).“
1/
Was ist ein
> zukunftsweisendes
> Bekenntnis für die
> Verantwortung einer
> modernen und
> weltoffenen
> Universität
?
2/
Was ist ein
> Symbol für
> die Vergangenheit,
> das Jetzt,
> die Zukunft
> der Universität
> und das, wofür sie steht
?
3/
Was ist möglich im vorgegebenen Zeitrahmen von
> 11 Monaten
(Ausschreibung: „bis spätestens Ende September 2019 umgesetzt“)
4/
Was ist möglich im vorgesehenen Kostenrahmen?
> Budget: EUR 30.000,-
Zu 1/:
1 a/
ZUKUNFTSWEISEND
Duden:
fortschrittlich; auf die Zukunft bezogen
(Synonyme: bahnbrechend, epochal, fortschrittlich, modern, programmatisch, progressiv, schicksalhaft, wegweisend)
Wie kann diese Eigenschaft mittels des Projektes ausgedrückt werden?
- Die neuesten wissenschaftlichen Diskurse zum Thema aufgreifend?
- Verwendung neuer Medien?
- Foresight/Forecast?
- Spekulierend, antizipierend, experimentierend?
- Unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten zulassend?
- Diskursiv?
- Offen und wandelbar?
- Dynamisch?
- Temporale Aspekte betonend?
…
- Zukunftsweisend und denkmalgeschützt – ein Widerspruch?
Was war Motivation und Begründung für die Unterschutzstellung? Wann wurde das s.g. Ehrenmal unter Schutz gestellt? (Politischer, gesellschaftlicher Kontext).
Zuständig für eine zu führende Diskussion ist der Landeskonservator.
Zukunftsweisend und konservierend sind nur schwerlich vereinbare Begriffe (es sei denn, es gehe um Methoden des Konservierens, wofür die Wissenschaft zuständig wäre, und nicht die Kunst). Das bedeutet, dass der Aspekt des Schutzes des unter Schutz stehenden Denkmals sich nicht auf das Objekt beschränken kann, denn der weitestführende Schutz des physischen Objektes an sich entspräche einer Konservierung des Objektes.
Zukunftsorientierter Denkmalschutz könnte hier bedeuten, dass man das Denkmal vor seiner eigenen Bedeutung schützt (Jenny Holzer: „Protect me from what I want“). Dieser Schutz kann nur gewährleistet werden, wenn man die zur Entstehungszeit des Denkmals intendierte Aussage innerhalb heutiger (und zukünftiger) Diskurse kritisch hinterfragt, überprüft, zur Diskussion stellt und neu verortet. Eine solche Neu-Verortung ist ein transformativer Prozess.
Schützen heisst: Voraussetzungen und Räume zu schaffen, innerhalb derer sich das zu Schützende entwickeln kann. Zukunftsweisend kann nur sich Entwickelndes sein. Alles andere ist tot und damit Vergangenheit.
Soll es zukunftsweisend aus heutiger Sicht sein, oder die Zukünfte künftiger Zeiten mit einbeziehen?
(Cultural Heritage als transformative Praxis.)
1 b/
BEKENNTNIS
Duden:
1.adas [Sich]bekennen, [Ein]geständnis
1.bErinnerungen, Lebensbeichte
2das Eintreten für etwas, das Sichbekennen zu etwas
3.aformulierter Inhalt des Bekenntnisses, Glaubensformel
3.bReligionszugehörigkeit, Konfession
Es ist aus der Aufgabenstellung kein Bekenntnis der Universität zu einer klaren Haltung in Bezug auf das s.g. Ehrenmal erkennbar.
D.h., dass die Universität mit diesem Wettbewerb/dieser Aufgabenstellung von der Kunst ein Bekenntnis zur Thematik erwartet, das sie, die Universität als Auftraggeberin, als sichtbares Zeichen setzt.
Es ist interessant, dass seitens der Universität die Funktion der Kunst so umfassend verstanden wird, dass diese auch auf Gebieten, auf denen die Universität selber lehrt und forscht, die Kunst/Architektur zu Rate gezogen wird, um die Haltung der Universität zu einem in unseren Gesellschaften kontrovers diskutierten Thema zu klären und zu kommunizieren. Das verstehen wir als grossartige Einladung zu einem Dialog zwischen den Wissenschaften und den Künsten.
Es ist weiter interessant, dass die erweiterten Funktionen von zeitgenössischer Architektur (jenseits baulicher Aufgabenstellungen) seitens der Universität Innsbruck wahrgenommen werden – warum sonst wären wir zu diesem Wettbewerb geladen?
Kann man das dahingehend verstehen, dass der Beitrag des Landhausplatz-Projekts als (architektonischer) Beitrag zur zeitgenössischen Denkmal-Diskussion von wissenschaftlicher Seite anerkannt wird? – Entsprechende Einschätzungen/Stellungnahmen wären aufschlussreich.
Kann die Kunst / können wir / kann das Projekt der Universität das Bekenntnis abnehmen?
Oder umgekehrt: Kann die Universität dieses geforderte Bekenntnis an die Kunst delegieren?
Wo bleibt das Bekenntnis seitens der Wissenschaften und seitens der Institution?
Ist das Projekt eine Maske?
1 c/
VERANTWORTUNG
Duden:
1.a[mit einer bestimmten Aufgabe, einer bestimmten Stellung verbundene] Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht
1.bVerpflichtung, für etwas Geschehenes einzustehen [und sich zu verantworten]
2Verantwortungsbewusstsein, -gefühl
3(veraltet, noch landschaftlich) Rechtfertigung
(Bezieht sich auf: moderne, weltoffene Universität)
Was kann und/oder muss die Universität tun bzw. berücksichtigen, um in Bezug auf den Umgang mit dem s.g. Ehrenmal dafür zu sorgen, dass:
- alles einen möglichst guten Verlauf nimmt?
- das Notwendige und Richtige getan wird?
- möglichst kein Schaden entsteht?
- die Universität für Geschehenes einsteht?
- die Universität sich für Geschehenes verantwortet?
Wie können Antworten auf obenstehende Fragen in eine künstlerische Intervention am s.g. Ehrenmal übersetzt werden?
Was ist „ein guter Verlauf“?
Was ist „das Notwendige“?
Was ist „das Richtige“?
Von welchem Standpunkt aus wird geschaut? Vom Standpunkt der Universität aus? Von dem der Öffentlichkeit? Der Wissenschaft? Der Kunst? Der Burschenschafter?
Und: wie divers konnotiert sind diese Entitäten: Universität, Öffentlichkeit, Wissenschaften….?
Ist ein „guter Verlauf“ wenn alles ruhig bleibt?
Oder im Gegenteil?
Ist es „notwendig“, dass die Universität sich politisch positioniert?
Gesellschaftlich positioniert?
– Wir denken, dass es jedenfalls notwendig wäre, dass sie sich wissenschaftlich positioniert. –
Ist es „richtig“, diese Fragen zu stellen?
Können wir als Architekten, als Künstlerinnen die von uns geforderte Arbeit überhaupt liefern, wenn wir nicht wirklich wissen, ob und wie die Universität für Geschehenes (welches Geschehene?) die Verantwortung zu übernehmen bereit ist, wie sie es sich selber verspricht – eben durch unsere Arbeit?
1 d/
MODERN
Duden:
1.der herrschenden bzw. neuesten Mode entsprechend
2.adem neuesten Stand der geschichtlichen, gesellschaftlichen, kulturellen, technischen o. ä. Entwicklung entsprechend; neuzeitlich, heutig, zeitgemäß
2.ban der Gegenwart, ihren Problemen und Auffassungen orientiert, dafür aufgeschlossen; in die jetzige Zeit passend
3.der neuen oder neuesten Zeit zuzurechnen
(Bezieht sich auf: Universität)
Als Architekten und Künstlerinnen können wir obige Definition von „modern“ berücksichtigen in Bezug auf:
- den zeitgenössischen Raumdiskurs
- den zeitgenössischen Diskurs über die (Entwicklung und) Wirkung von Form
- gesellschaftliche Tendenzen und Phänomene (wobwi: eigentlich nur inter- bzw. transdisziplinär)
- architektonische Praxis (Methoden und Wekzeuge, Software)
- Programmentwicklung
- Materialisierungen
Es wäre vermessen, von Seite der Kunst oder Architektur aus die dem Denkmal zugrundeliegenden Inhalte und Rezeptionsverhältnisse auf dem neuesten Stand der geschichtlichen, gesellschaftlichen, kulturellen, technischen o. ä. Entwicklung zu thematisieren, ohne den antizipierenden, spekulativen und nicht wissenschaftlichen Charakter der Stellungnahmen herauszustreichen – ganz besonders wenn der Auftraggeber eine Universität ist.
1 e/
WELTOFFEN
Duden:
offen, aufgeschlossen für Leben und Welt
(Bezieht sich auf: Universität)
Offen und aufgeschlossen für das Leben und die Welt.
Innsbruck ist nicht die Welt, Tirol ist nicht die Welt, Österreich ist es nicht.
Warum sind hauptsächlich Künstler und Künstlerinnen „aus Österreich“ zu diesem Wettbewerb eingeladen?
Das Thema ist viel zu wichtig, als dass es „nur“ in Bezug auf eine nationale, ggf. im deutschsprachigen Raum geführte Debatte um Repräsentationen grossdeutschen bzw. (neo-) nationalsozialistischen Gedankenguts behandelt werden darf. Wenn die Universität Innsbruck durch den Umgang mit diesem s.g. Ehrenmal ihre weltoffene Modernität kommunizieren will, gilt es sowohl in der Aufarbeitung als auch in der Vermittlung internationale Debatten und Referenzen miteinzubeziehen und die Erkenntnisse international zur Diskussion zu stellen.
1 f/
UNIVERSITÄT
Duden:
1.in mehrere Fakultäten gegliederte [die Gesamtheit der Wissenschaften umfassende] Anstalt für wissenschaftliche Ausbildung und Forschung; Hochschule. Kurzwort: Unität
2.Gesamtheit der Dozenten, Dozentinnen und Studierenden einer Universität
3.Gebäude[komplex], in dem sich eine Universität befindet
Liste möglicher zu involvierender Institute (A-Z):
- Forschungsinstitut Archiv für Baukunst (Fakultät für Architektur)
- Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte (Fakultät für Architektur)
- Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte (Fakultät für Architektur)
- Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie (Philosophisch-Historische Fakultät)
- Institut für Kunstgeschichte (Philosophisch-Historische Fakultät)
- Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation (Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften)
- Institut für Philosophie (Philosophisch-Historische Fakultät)
- Institut für Psychologie (Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft)
- Institut für Zeitgeschichte (Philosophisch-Historische Fakultät)
2 a/
SYMBOL
Duden:
1.Sinnbild
2.(Fachsprache) Formelzeichen; Zeichen
3.(in der Antike) durch Boten überbrachtes Erkennungszeichen zwischen Freunden, Vertragspartnern o. Ä.
4.christliches Tauf- oder Glaubensbekenntnis
Es scheint absurd, ein historisch äusserst problematisch konnotiertes Symbol aus den 20er Jahren durch eine künstlerische Intervention zu einem Symbol umzufunktionieren, das für die Werte einer zukunftsorientierten Universität steht.
2 b/
VERGANGENHEIT
Duden:
1.ader Gegenwart vorangegangene Zeit [und das in ihr Geschehene]
1.bjemandes Leben bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt
2.(Sprachwissenschaft) Zeitform, die ein vergangenes Geschehen ausdrückt
2 c/
JETZT (das)
Duden:
Zeit, die nur als Gegenwart erlebt oder die im Gegensatz zu einer lange vergangenen Zeit gesehen wird.
2 d/
ZUKUNFT
Duden:
1.aZeit, die noch bevorsteht, die noch nicht da ist; die erst kommende oder künftige Zeit (und das in ihr zu Erwartende)
1.bjemandes persönliches, zukünftiges Leben; jemandes noch in der Zukunft liegender Lebensweg
2(Sprachwissenschaft) Zeitform, die ein zukünftiges Geschehen ausdrückt; Futur
Zeit / Verlauf der Zeit / Zeitschnitte / Zeitliche Relationen
Das Potential sehen wir in der Überlagerung der unterschiedlichen involvierten Zeitebenen (u.a. bez. Rezeptionsunterschieden).
2 e/
UNIVERSITÄT
Siehe 1 f/
2 f/
DAS, WOFÜR DIE UNIVERSITÄT STEHT
(Ausschreibung sagt: s. Leitbild der Universität)
Auszug aus dem Leitbild:
Dafür stehen wir:
Die Freiheit in Forschung und Lehre ist Grundlage unseres Handelns. Sie verpflichtet uns zugleich, unser Schaffen selbstkritisch und nach ethischen Gesichtspunkten zu durchleuchten. Dazu ist ein nachhaltiger Umgang mit den vorhandenen Ressourcen selbstverständlich, ebenso wie ein reflektierter Umgang mit unseren Forschungsergebnissen und neuen Technologien.
Wir pflegen eine offene und ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe. Die Wertschätzung der persönlichen Lebensleistung und ein solidarischer Umgang miteinander sind uns wichtig. Durch nachvollziehbare und transparente Strukturen schaffen wir eine zum Mitwirken motivierende Umgebung.
Universität ist und lebt von Vielfalt – an Biografien, Ideen, Lebensentwürfen, Meinungen und Methoden, die wir durch (Geschlechter-)Gleichstellung, Inklusion sowie Vereinbarkeit von Beruf und Studium mit Betreuungspflichten fördern. Diese Vielfalt bildet die Voraussetzung für ein erkenntnisreiches und inspirierendes Studium, wissenschaftliche Spitzenleistungen und die Anerkennung durch die Gesellschaft. Als Leopold-Franzens-Universität Innsbruck agieren wir hier als Vorbild und setzen uns aktiv für eine offene Gesellschaft ein.
(Innsbruck, Juli 2017)
Ggf. Leitbegriffe für das Projekt:
- Freiheit in Forschung und Lehre
- Selbstkritik
- Ethik
- Nachhaltigkeit
- Ressourcenschonend
- Selbstreflektion
- Reflektion der Forschungsergebnisse
- Reflektion neuer Technologien
- Offene und ehrliche Kommunikation
- Nachvollziehbare und transparente Strukturen
- Eine zum Mitwirken motivierende Umgebung
- Vielfalt
- Gleichstellung
- Inklusion
- Vorbildwirkung
- Aktiver Einsatz für eine offene Gesellschaft